Die Ausstellung „Oh Gott, diese Frauen!“ startete mit einer spannenden Vernissage im D12
Ein hoffnungsvolles Gedicht aus Georgien, eine Klavier-Ballade über Maria Magdalena und Bilder, die farbenprächtig von den Schicksalen biblischer Frauen zeugen: Das Programm der Vernissage am Sonntag, 3. November, zur Kunstausstellung „Oh Gott, diese Frauen!“ im Dekanatshaus D12 in Böblingen hatte das Prädikat „Vielseitig“ mehr als verdient. 21 Frauen-Porträts aus dem Alten und Neuen Testament sind nun bis 19. November in Böblingen zu sehen.
Prof. Dr. Ute Reuter, Leiterin der katholischen Erwachsenenbildung Böblingen (keb), zeigte sich bereits in ihrer Begrüßung begeistert von den Gemälden der Künstlerin Maria Viktoria Heinrich aus Schwäbisch Hall: „Ihre Werke laden uns ein, die vielschichtigen Charaktere und Geschichten biblischer Frauen neu zu entdecken. Sie zeigen Verletzlichkeit und Inspiration und regen uns dazu an, über die Rolle von Frauen in der biblischen Geschichte nachzudenken.“ Auch das Programm der Vernissage werde, so Ute Reuter, von „zwei außergewöhnlichen Frauen“ bereichert. So kündigte sie die georgische Dichterin Maka Khvingia und die Sängerin und Songwriterin Samuela-Esther Aliman an. Die 22-jährige Musikerin unterhielt die Vernissage-Gäste mit gefühlvollen eigenen Liedern. Eines davon hieß „Owe You Everything“ und handelte – passend zur Ausstellung – von Maria Magdalena.
Maka Khvingia rezitierte ihr Gedicht „Die Sonne ist hoffnungsvoll“ zuerst auf Georgisch, bevor Ute Reuter es auf Deutsch vorlas. Die Dichterin aus Tiflis wurde in Georgien aufgrund ihrer politischen Meinungsäußerungen verfolgt, ist vor 16 Monaten nach Deutschland geflüchtet und lebt derzeit in Sindelfingen. Ihre Geschichte passte wiederum gut zum Gemälde der Hagar in der Ausstellung. „Hagars Schicksal zeigt, dass Frauen auf der Flucht schon zu biblischen Zeiten ein Thema waren“, erklärte Macra Joha, die als Hintergrund zum Gemälde den Bibeltext „Hagar und Ismael“ las. Der zeigte auch, dass Hagar als erster Mensch in der Bibel eine Begegnung mit einem Boten Gottes hatte.
Die Malerin Maria Viktoria Heinrich habe sich, so die Kunsthistorikerin Dr. Daniela Kaiser in ihrem Impulsvortrag, selbst nie als Künstlerin gesehen: „Da geht es ihr ein wenig wie all den biblischen Frauen, die sie im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte porträtierte. Sie stellt ihr Licht unter den Scheffel“. Das könnte laut Daniela Kaiser aber auch an ihrem Werdegang liegen, der ganz anders begann: Maria Viktoria Heinrich machte eine Ausbildung als Erzieherin, studierte Theologie- und Religionspädagogik und ging erst anschließend an die Kunstakademie. Sie war Leiterin eines Kindergartens, Religionslehrerin an einer Realschule und Diözesanrätin. Sie ist aber auch eine dreifache Mutter und Frau, die sich auf unterschiedlichste Weise in der Kirche engagiert.
Um ein Gemälde zu analysieren, so die Kunsthistorikerin, müsse nach dem Was und nach dem Wie gefragt werden, also nach dem Bildthema und nach dem Stil der Künstler. „Was mich persönlich aber mindestens ebenso viel interessiert ist die Frage nach dem Warum“, so Daniela Kaiser. Und auf diese Frage gab ihr Maria Viktoria Heinrich eine spannende Antwort: „Ihr ging es beim Malen um Rebellion, um Kritik an der Struktur der Kirche. Die Gemälde sind ihre persönliche Anfrage an dieses männerdominierte System unserer Kirche.“ Vor allem aber ärgert sie sich laut Daniela Kaiser darüber, dass im Gottesdienst selten bis nie Geschichten von Frauen aus der Bibel erzählt werden.
„Ich finde, es sind sehr kraftvolle Bilder, und das Thema ist zeitgemäßer denn je“, brachte die Referentin die Arbeit von Maria Viktoria Heinrich auf den Punkt. Die Künstlerin trage aber auch dazu bei, dass man sich mit biblischen Frauen wie Ketura, Delila oder Hagar beschäftigt, die eher weniger bekannt sind. Die Gemälde von Maria Viktoria Heinrich stellen laut Daniela Kaiser die Frauen selbst in den Mittelpunkt und behandeln sie nicht mehr nur als Beiwerk, um die Bedeutung und den Machtanspruch eines Mannes zu unterstreichen – und das „ohne Wertung, ohne skandalöse oder anrüchige Geschichte, ohne Männer“. Vielmehr sind die Frauen in den Porträts von Maria Viktoria Heinrich als Menschen dargestellt, die ihren Glauben mit all ihren Möglichkeiten und all ihrer Schwäche leben. „In den Gemälden sehen Sie Frauen, von einer Frau gemalt“, erklärte Daniela Kaiser.
Statt die Gemälde nach allen Regeln der Kunstgeschichte zu analysieren, lud Daniela Kaiser die Gäste der Vernissage dazu ein, die Bilder selbst zu entdecken: „Lassen Sie es zu, dass die Gemälde sie berühren. Tanzen wir wie Sophia. Kümmern wir uns, wie sich die Frauen um Mose gekümmert haben. Lernen wir Ketura kennen. Dienen wir wie Hagar. Wirken wir mit politischem Geschick, ohne Waffen, aber mit Gottvertrauen so wie Debora. Suchen wir das weibliche Gesicht Gottes in unserer Welt. Das ist es, was Maria Viktoria Heinrich mit ihrer Kunst bewirken will. Lassen wir uns berühren, und handeln wir“, so schloss die Kunsthistorikerin ihren Vortrag.
Die Kunstausstellung „Oh Gott, diese Frauen!“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von keb, Dekanat und der Gesamtkirchengemeinde Böblingen. Organisiert wurde sie von Marina Angladagis, Klara Graf, Annegret Hiekisch, Birgitta Hoyer-Hensel, Macra Joha, Daniela Kaiser, Annette Neumann-Eberhard und Ute Reuter. Und dafür gab es von Dekanatsreferentin Annegret Hiekisch bei der Vernissage ein großes Dankeschön: „Es ist schön, dass sich alle so unkompliziert zusammengefunden haben.“
Die Ausstellung ist in Böblingen bis 19. November an zwei Orten zu sehen: 14 Frauenbilder aus dem Neuen Testament sind im Gemeindehaus St. Klemens (Herdweg 87) ausgestellt, während sieben Porträts aus dem Alten Testament im Dekanatshaus D12 (Sindelfinger Str. 12) präsentiert werden. In St. Klemens ist die Ausstellung werktags von 17 bis 19 Uhr geöffnet (Ausnahme: St. Martinstag, 11. November 2024). Der Besuch im Dekanatshaus D12 ist von Montag bis Mittwoch zwischen 9.30 und 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr (Ausnahme: Dienstag, 12. November 2024) sowie donnerstags und freitags von 9.30 bis 12 Uhr möglich. Der Eintritt ist frei.
Fotos: Volker Schmid